VON GALICIEN BIS ZUR LETZTEN BRATWURST VOR AMERIKA

Was Sie durch das Erreichen Ihrer Ziele erhalten ist nicht so wichtig wie das, was Sie durch das Erreichen Ihrer Ziele werden (Henry David Thoreau)

Wir schreiben ja eigentlich keine Reiseberichte oder verraten den „letzten Geheimtipp“, aber nachdem wir nun den südwestlichsten Punkt Europas – das Cabo São Vicente in Portugal – glücklich gerundet haben, fühlt sich das schon irgendwie wie ein Meilenstein an.

Aus diesem Grund soll dieser Blog ein kleiner Abriss dieser Reise entlang der portugiesischen Westküste sein, sozusagen ein sehr individueller Blick auf diesen langen Abschnitt – der bei anderen Seglern selbstverständlich ganz anders aussehen kann.

Von Galicien bis zur letzten Bratwurst vor Amerika

Der Weg ist weit – sehr weit, um von Galicien bis an die Algarve zu kommen. So haben es zumindest wir empfunden. Nachdem die geschützten Rias von Galicien mit Ablegen vom Hafen in Baiona im Kielwasser blieben, sah die Welt auf einmal anders aus –  ein neuer Atlantik!

Es geht in Richtung Süden, fast ausschließlich der Küste entlang und es war immer mehr oder weniger derselbe Drahtseilakt: auf der einen Seite wollten wir die Nähe zur Küste halten, um uns möglichst entlang der 20 Meterlinie entlang zu hangeln und auf der anderen Seite durch den geringen Abstand bloß in keine Notlage kommen. Über allem stand die Hoffnung, dass sich durch diese Strategie kein Orca zu unserem Boot verirrt. Dies ist bislang Gott sei Dank auch nicht geschehen, aber das ungute und unsichere Gefühl fährt mit. Auf dem Weg zum ersten portugiesischen Hafen in Viana do Castelo bleibt mir die gewaltige Dünung in Erinnerung, die plötzlich an der Flussmündung nach Caminha aufgetreten ist. Von weither rollen die Wellen heran und lassen mein Herz ein bisschen schneller schlagen. Die Yámana torkelt wie ein Korken obenauf und hält Kurs.

Viana do Castelo gefällt uns und die Tage im herrlich ruhigen Stadthafen sind erholsam – außer einer Clique Studenten, die plötzlich nachts gröhlend auf unserem Deck herum randaliert.

Von Viana do Castelo geht es zur Marina Leixoes, die uns als guter Ausgangspunkt für die Besichtigungstage in Porto dient und zudem um einiges günstiger als der dortige Stadthafen ist.

Die Strecken in Richtung Süden sind oft lang, und die Häfen dünn gesät. So kommt jetzt ein solcher Tag von über 60 sm bis nach Figueira da Foz. Vor der Hafeneinfahrt frischt der Wind am Cabo Mondego ordentlich auf und lässt uns an den Segelkünsten einer französischen Crew zweifeln, die unkontrolliert unter Vollzeug auf uns zurast. Man ist halt immer erst da wenn man da ist. Figueira sollte ungeahnter weise ein längerer Stopp werden. Denn nach den ersten tollen Tagen Anfang Oktober schlägt das Wetter plötzlich um und bleibt schlecht. Der Hafen ist oft tagelang geschlossen und langsam aber sicher verlieren wir den Glauben daran, dieses Jahr noch weiter zu kommen. Wir unternehmen von hier aus Ausflüge nach Nazaré als auch Lissabon, brechen jedoch den Hauptstadtbesuch wegen eines neuen herannahenden Sturms vorzeitig ab und kehren zum Boot zurück. Dann fällt die Entscheidung,  dass wir die Yámana in Figueira lassen und nach Hause fahren.

Vollgepackt bis unters Dach kehren wir im März mit dem Auto an die Mündung der Rio Mondego zurück. Hauptsächlich steht jetzt erst einmal der Einbau eines Wassermachers an, den wir mitgebracht haben (https://www.wind-nomaden.de/april-2024-die-verwandlung-von-meer-in-trinkwasser/).

Anfang April starten wir mit neuer Energie und ein paar vielversprechenden Sonnentagen weiter in Richtung Süden. Mehrere Tage bleiben wir bei herrlichem Wetter in Nazaré und genießen die Ausblicke von oben auf den langen Stadtstrand. Die nächste Etappe bis Peniche verläuft problemlos, außer dass ab dann ein sehr windiges, nasses und ungutes Frühjahr beginnt. Unsere Gedanken kreisen um die Abfahrt nach Porto Santo bei Madeira, wir finden jedoch für unsere Verhältnisse kein passendes Wetterfenster. So gehen ein paar Wochen ins Land und langsam denken wir schon wieder an das nächste Abstellen der Yámana. Das ist unser eigentliches Problem bei dem momentanen Reiserhythmus, nämlich dass drei oder vier Monate so schnell um sind und dann schon eine neue Suche beginnen muss.

Nach Porto Santo wird uns das Zeitfenster jetzt zu knapp. Weiter in Richtung Süden bringen uns ein paar Anrufe auf den Boden der Tatsachen zurück. Alle Häfen sind jetzt in der Hochsaison und sauteuer. Egal ob im Wasser oder an Land, wir bekommen Schweißperlen auf die Stirn. Der letzte günstige Hafen vor dem Süden ist hier in Peniche und aus diesem Grund entscheiden wir uns dazu, die Yámana hier zu lassen – auch wenn der viel zu kurze Längssteg keine optimale Lösung bietet.

Gott sei Dank wissen wir nicht, wie viele Jachten bei uns während unserer Abwesenheit ins Päckchen gegangen sind – auf jeden Fall hat uns diese Tatsache manch schlaflose Nacht gekostet. Auch nach unserer Rückkehr geht dieses Spiel munter weiter, zu besten Zeiten lagen wir zu dritt nebeneinander. Zum Schluss ging uns das so auf die Nerven, dass es nun höchste Zeit wurde endlich abzureisen. Ende September werfen wir endgültig die Leinen los. Nach längerer Überlegung und Abwägung haben wir uns entschieden, vorläufig erst einmal an die Algarve und Andalusien zu fahren und uns Madeira und die Kanaren für später aufzuheben. Dicker Nebel begleitet uns die ersten Stunden, aber was für ein Gefühl, Peniche im Kielwasser lassen zu können.

Nächste Stationen waren Oeiras, Sesimbra und Sines – und jedes mal hatten wir einen Liegeplatz, an dem sich nicht mitten in der Nacht wieder irgendjemand an uns ranlegen wollte -toll!! Das Gefühl von Entspannung kehrte zurück!

Die Strecke von Sines in den weiteren Süden ist der Knackpunkt der ganzen Strecke. Es kommt vor dem Cabo São Vicente kein Hafen mehr und bis dahin sind es schon 60 sm. Danach kann man ankern oder muss bis Lagos oder gar Portimão weiterfahren. Wir entscheiden uns bis Lagos durchzufahren. Das sind dann 79 sm, wofür wir 16-17 Stunden kalkulieren. Leider lohnte sich unser frühes Aufstehen nicht, denn der Nebel war dermaßen dicht, dass man kaum die Hand vor Augen gesehen hat. Wir verplempern wichtige zweieinhalb Stunden mit Warten in der Hoffnung, dass sich der Nebel bei Tagesanbruch lichtet und fahren dadurch recht spät los. Die Wetterapp hatte leider nicht recht, denn entgegen der Vorhersage hat sich die Suppe fast den ganzen Tag die ganze Strecke gehalten. Gepaart mit Nieselregen und heftiger Dünung schaukeln wir gen Süden und erreichen das Cabo São Vicente schon bei leichter Dämmerung. Versteckt im Nebel und Regen ist oben der Leuchtturm nur zu erahnen und die Felsen zeigen eine düstere, bedrohliche Grimasse. Dies bleibt in Erinnerung…(oben am Leuchtturm steht übrigens der ” Letzte Bratwurststand vor Amerika”)

Nach geglückter Rundung des Kaps haben wir die südwestliche Spitze Europas erreicht, die Dünung lässt langsam nach, in der Ferne gibt es Lichtstreifen am Himmel. Noch sind ein paar Fischzuchten zu umfahren und als Krönung des Tages kommt die Nachtansteuerung von Lagos. Auch das glückt und wir machen nach 16-einhalb Stunden am Meldesteg in Lagos fest. Das Adrenalin im Körper wird weniger und weicht einem großartigen Glücksgefühl es geschafft zu haben. Wir sind an der Algarve!

Träumen Sie so weit Sie sehen, und wenn Sie dort angekommen sind, können Sie weiterblicken.

(Zig Zagler)