DEZEMBERBLUES MIT TIEFGANG!
Du kannst nicht das nächste Kapitel deines Lebens beginnen, wenn du ständig den letzten Abschnitt wiederholst (Michael McMillan).
Unsere relativ kurze Reiseunterbrechung mit Aufenthalt in Deutschland neigt sich dem Ende zu. Noch vor Weihnachten werden wir wieder in Nordspanien am Boot sein. Wir verlassen unser festes Zuhause und wechseln zum beweglichen Zuhause – ein nicht nur örtlicher Wechsel passend zum Jahreswechsel!
Dezemberblues mit Tiefgang
…dieser Gedanke hat mich heute so beiläufig gestreift. Dazu hat sicher die nebelige und frostige Stimmung der letzten Tage beigetragen. Es fehlt Licht, Sonne und Wärme und diese Negativbilanz aus positiver Energie schlägt sich unbewusst aufs Gemüt nieder. Die immer kürzer werdenden Tage lassen einen abtauchen in eine Art Dämmerschlaf – eine Strömung, die das Grau der Tage miteinander vermischt und einen mit treibt in Richtung Jahresende.
Wie so oft in der Zeit vor Corona steht der kleine Berg bestehend aus all den Dingen zum Mitnehmen in einer Ecke im Büro. Es ist das Sammelsurium aus der Liste, die irgendwann an Bord angefangen und nun, seit wir hier in Deutschland sind, abgearbeitet wurde. Viel steht nicht mehr drauf, aber etwas fehlt immer noch. Die Erfahrung der letzten Jahre hat sich gefühlsmäßig noch einmal verstärkt; nämlich, dass unser Land langsamer funktioniert als früher, in vielen Bereichen unpersönlicher geworden ist und man oft Nachhaken muss, um etwas zu erreichen.
Gemischte Gefühle
Aber auch ansonsten verlassen wir unser Zuhause mit gemischten Gefühlen. Es war wie das Eintauchen in eine Welt die man so gut kennt und die uns dennoch gleichzeitig immer wieder ein Stückweit entgleitet. Das liegt an vielen Einzelsituationen, vielleicht an einem zunehmenden Identitätsverlust, aber auch an der Grundstimmung im Land. Selten haben sich zur aktuellen Lage Familie, Bekannte oder Freunde positiv geäußert. Meist schlägt schnell der negative Grundkonsens durch, man ist mit so Vielem unzufrieden. Das wiederholte schlechte Abschneiden der Fußballnationalmannschaft steht in seltsamer Weise stellvertretend für andere Dinge. Aufgeweicht durch die multikulturelle Vielfalt, schwerfällig und viel zu reich torkeln wir orientierungslos über das Spielfeld, auf dem Andere die Spielzüge bestimmen. Die Führungslosigkeit paart sich mit Ziellosigkeit und führt zur Mittelmäßigkeit. Traurig aber wie erwartet nehmen wir nahezu emotionslos diese erneute Niederlage zur Kenntnis und reihen sie ein in eine mittlerweile lange Liste. Gefühlt ist das wie ein Sog, wie eine Spirale, die begonnen hat sich zu drehen und abwärts führt – schwer aufzuhalten in einer wiederum gefühlsmäßig nicht enden wollenden Garnierung aus Fehlentscheidungen.
Immer wieder fragen wir uns, wer heute eigentlich noch für dieses Land kämpft, das die vorherigen Generationen mit Fleiß und Schweiß aufgebaut haben. Auch unsere Generation hat dazu einen Beitrag geleistet, der jetzt in unserer ewig entschuldigenden Großzügigkeit verschleudert wird – wahrscheinlich so lange, bis man eines Tages erstaunt feststellt, dass es nichts mehr zu verteilen gibt. Wo sind die charakterstarken Macher, denen es nicht um ihren persönlichen Geldbeutel, sondern um die Sache geht? Wer durchbricht unser bürokratisches Vorschriftenmonster, in dem es sich so Viele äußerst bequem eingerichtet haben? Noch gehen alle wie immer friedlich ihrer Arbeit nach, aber es brennt kein Feuer der Begeisterung mehr, eher ein Feuer der Wut. Zu groß ist die Welle der Enttäuschung über die Politik geworden, über jede Menge Persönlichkeiten die sich nicht durch Leistung, sondern durch ihre Position bereichern, über bezahlte Verantwortungslosigkeit, über Züge, die ihre Passagiere in eine ungewisse Zukunft befördern – oder vielleicht auch irgendwo auf einem Abstellgleis stehen lassen, wer weiß das schon.
Es fehlt uns an durchdachten Visionen, an Selbstbewusstsein, an Mut zu einem Richtungswechsel, an der Fähigkeit Kante zu zeigen. Vielleicht sollten wir auch den überheblichen, moralischen Zeigerfinger nicht immer wieder zeigen und ebenso endlich die unsägliche Vergangenheit Geschichte werden lassen. In der Tat ist der Zeitpunkt gekommen, an dem wir mehr als dringend eine Zeitenwende einläuten müssen, anstatt blind den Niedergang zu verwalten.
Weihnachtsmärkte
Selten oder vielleicht auch nie haben wir so viele Weihnachtsmärkte besucht wie in diesem Jahr. Dreimal haben wir uns vorbei an Ständen, Buden und Gerüchen schieben lassen und jedes mal den großen Nachholbedarf der Menschen auf Traditionen wie solche gespürt. Der Duft der gebrannten Mandeln, die Schlangen vor dem Glühweinstand, das gemeinsame Frieren im Dezembernebel, aber auch das Lachen am wärmenden Feuer schweißt irgendwie zusammen. Und obwohl wir den ganzen Weihnachtskommerz hinterfragen, ist dieses Gefühl schön. Da ist ein Hauch von Gemeinsamkeit zu spüren, von der Energie, dass doch noch etwas auf die Beine gestellt werden kann, dass uns doch noch etwas verbindet. Das vermittelt ein positives Gefühl in einer Zeit der zunehmenden Zerrissenheit.
Es ist gut, nun demnächst wieder abzureisen. Das aktuelle Deutschland drückt auf die Stimmung und belastet die Psyche. Wahrscheinlich besitzen andere Nationen die Fähigkeit leichter zu leben, leichter mit Problemen umzugehen, leichter die Lösungen zu finden. Das ist anziehend und macht unbeschwerter. Und so freuen wir uns auf neue Begegnungen, neue Landschaften und neue Herausforderungen.