LEINEN LOS!

Manchmal zeigt sich der Weg erst, wenn man anfängt ihn zu gehen!

Paulo Coelho

LEINEN LOS – wie oft haben wir in den letzten Jahren daran gedacht. Aber der Zeitpunkt war in weiter Ferne! Zu viele Hindernisse, zu viele unerwartete Veränderungen kamen immer wieder neu auf uns zu und rückten das Ziel ins Irgendwann. Außerdem war am Boot immer noch so viel zu machen. Arbeit ohne Ende, gesegelt sind wir wenig. Jede verfügbare Woche oder Wochen haben wir das Projekt vorangetrieben und vervollständigt, aber der Startpunkt blieb unklar.

Eigentlich war es so, dass wir wohl den festen Willen hatten los zu fahren und alles dafür getan haben um diesen Wunsch Wirklichkeit werden zu lassen – doch ob wir es tatsächlich eines Tages schaffen würden – manchmal habe ich an mir selbst gezweifelt und auch an unseren Fähigkeiten es tun zu können. Ab und zu schlich ein leises Gefühl des Versagens an mir hoch – denn die Vorstellung, zu denen zu gehören, die wohl ein perfektes Boot ausgerüstet haben, aber nie loskommen, bereitete mir Unbehagen. Denn dann würde ein Lebenstraum platzen und wahrscheinlich könnte ich mir das nicht verzeihen.

Leinen los – das hört sich so euphorisch an. In Wirklichkeit stecken aber auch jede Menge verborgener Ängste und Zweifel dahinter. Nun denn – seit 01.08.2022 sind wir tatsächlich los und ohne in irgendeiner Form prahlen zu wollen – ich bin stolz auf uns, dass wir diesen ersten Schritt gewagt haben.

Vom Ijsselmeer in den Süden

Unter diesem Motto steht unser erster Reiseabschnitt. Mittlerweile sind wir in der Normandie in Frankreich und haben bereits zweimal die Gastlandflaggen gewechselt. Zuerst war die Belgische und dann die Französische dran. Ein tolles Gefühl, wenn man an der Steuerbordseite was Neues hochzieht, dies gibt einem das Gefühl schon was geschafft zu haben. Auch die weitere Reiseroute hat sich durch mehrere Faktoren herauskristalisiert. So sind wir jetzt auf dem Weg entlang der französischen Küste bis nach La Rochelle – Arcachon – Bayonne und wollen dann irgendwo bei Gijón an der spanischen Nordküste für zwei Monate festmachen.

Wie gestaltet sich der Bootsalltag

Auf dem Boot zu leben ist eine andere Herausforderung als beispielsweise im Wohnmobil. Da wir diese Art des Reisens zu Genüge kennen, wissen wir wovon wir reden. Die große Unbekannte im Bootsalltag ist das Meer. Das Meer lebt, ist nicht ruhig, verändert sich ständig und ist bei Weitem nicht so vorhersagbar wie die Straße. Dabei spielt natürlich das Wetter die entscheidende Rolle. Täglich wandert unser Blick mehrmals über die verschiedenen Wettermodelle, vergleicht und wägt ab. Können oder sollen wir die Strecke wagen, wann kommen wir an, wie sind die Gezeitenverhältnisse am Ziel, können wir zu akzeptabler Zeit in den Hafen einfahren etc. Das sind ganz neue Gedankenmodelle die sich da im Kopf abspielen und nach der besten Lösung suchen.

Eine weitere Neuigkeit ist tatsächlich das Bootshandling. Da wir keine alten Hasen sind, hat für uns nun die harte Schule des Erfahrungen sammelns begonnen. Wir gehen dabei recht vorsichtig zur Sache und sind in erster Linie auf Sicherheit bedacht. Wir und das Boot müssen unbeschadet ans Tagesziel kommen – das hat erste Priorität!

Reisen mit Hund

Unser Flint hat sich sehr gut ans Bordleben gewöhnt. Draußen auf dem Meer ist sein Hunger meistens ziemlich gedämpft und am liebsten ist er ganz nah bei uns. Das scheint ihm Sicherheit zu geben. Sobald wir irgendwo angelegt haben kommt seine Energie und der Appetit zurück und alles ist gut. Da wir meistens mehrere Tage an einem Platz bleiben bieten sich dann genügend Möglichkeiten für lange Spaziergänge um das Versäumte nachzuholen. Ach ja, und eine echte Wasserratte ist er in der Zwischenzeit auch geworden. Weder Wellen noch sonst etwas halten ihn davon ab, Stöckchen aus dem Meer zu holen oder am Strand Möwen hinterher zu jagen..

Fazit aus einem Monat an Bord

Eigentlich haben wir im Prinzip das Bootsleben so erwartet. Es ist aufregend und stellt eine Herausforderung dar. Da wir kein Auto mehr haben sind wir öfters mit dem Handwagen unterwegs um Einkäufe und Diesel zum Boot zu bringen. Das sind oft lange Wege zu Supermärkten und Tankstellen und mit 50 kg im Schlepptau Bauchfett zehrend. Aber diese Aktionen geben einem auch das Gefühl, dass das Leben anders funktionieren kann. Mit jeder Menge Zeit, mit jeder Menge Überlegungen, mit jeder Menge Glücksgefühlen, mit jeder Menge Routinelosigkeit. Das Vertrauen in unsere Yámana wächst und ist auch elementar. Wenn die Küste außer Sicht gerät, ist man tatsächlich auf sich selbst gestellt. Ohne Handyempfang, ohne ADAC, ohne Werkstätten, mit sich und seinen Entscheidungen alleine.

Nichts geht jemals vorbei bis es uns gelehrt hat, was wir wissen müssen! (Pema Chödron))